Donots: Für Herzen, die lauter als Bomben schlagen

Dennis Dirksen DONOTS
Nach wie vor fünf Freunde: Die Donots rund um Sänger Ingo Knollmann (3. von rechts) verbringen bereits „das halbe Leben“ miteinander. Foto: Dennis Dirksen

Ihre Konzerte sind legendär, mit ihren Anhängern kommuniziert die Band („We’re not gonna take it“; „Whatever happened to the 80s“) in einer von Insidern gespickten Spezialsprache – man kennt sich, man liebt sich, man geht seit inzwischen 25 Jahren gemeinsam durchs Leben: Die Donots aus Ibbenbüren haben eine verschworene Gemeinschaft um sich geschart. Eine Herzensangelegenheit, erst Recht seit die Punkrocker vor drei Jahren ihr erstes deutschsprachiges Album veröffentlicht haben. Esther Suave redete mit Sänger Ingo Knollmann und Gitarrist Alex Siedenbiedel über ihr neues Werk „Lauter als Bomben“ und das politische Engagement, das die Donots auszeichnet.

Text: Esther Suave / Mitarbeit: Annika Langhagel

“Für Herzen, die lauter als Bomben schlagen” – das aktuelle Album setzt ein starkes Statement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zündet dabei ein musikalisches Feuerwerk, progressiv und abwechslungsreich, gerade heraus und mit Inhalt.

Das politische Engagement ist nicht nur Tonspur.

Für den Neujahrsempfang der AfD 2017 in Münster unterbrachen die Donots ihre Tourpause, um den 8000 AfD-Gegnern lautstark den Rücken zu stärken. Seit Jahren arbeiten sie für und mit der Jugendorganisation „Kein Bock auf Nazis“, bei ihrer Teilnahme am Bundesvision Song Contest 2015 protestierten sie gegen die „Hetze gegen Menschen, die unsere Hilfe brauchen“.

Aktuell sind die Fünf auf Albumtour, zuletzt spielten sie auch in Rostock – einer Stadt, die 1992 mit den massiven rassistischen Ausschreitungen von mehreren hundert Randalierern und 3000 applaudierenden Beistehenden traurige Berühmtheit erlangte. Einem Bericht des Bundesministeriums zufolge gab es allein im vergangenen Jahr 1906 Angriffe auf Flüchtlinge sowie 313 Anschläge und Überfälle auf Flüchtlingsunterkünfte.

Wir haben die Donots gefragt, warum es gerade jetzt wichtig ist, seine Stimme zu erheben.

„Nein, unsere Köpfe könnt ihr niemals haben
Weil unsere Herzen lauter als Bomben schlagen
Bis man euch nicht mehr hört werden wir weitersingen
Wo ihr marschieren wollt in eurem Wege stehen
Wir haben genug gehört und schon zu viel gesehen
Ab heute senden wir selbst“
(Auszug: „Rauschen“)

 

In eurem neuen Track „Rauschen“ beschreibt ihr die Lage in Deutschland. Schon 1995, in der Ära der Nazi-Anschläge von Rostock-Lichtenhagen und Soligen, hatte Slime mit „Schweineherbst“ die traurige Situation des Neofaschismus besungen – und heute, 13 Jahre später, sitzt die AfD im Bundestag. Drehen wir uns im Kreis?
INGO: Ich glaube, dass es Rechtspopulisten aufgrund der chaotischen Situation in der Welt momentan viel leichter haben, Ängste zu instrumentalisieren. Das ist ein großes Problem. Aber im Grunde genommen ist das Problem des Faschismus in Deutschland unverändert beschissen, nur dass es jetzt mit der AfD ein “offizielles” Sprachrohr gibt.

ALEX: Es ist natürlich nicht unsere Aufgabe, den Leuten unsere Meinung ins Gesicht zu reiben, aber dadurch, dass wir alle mit Punk Rock, Rage Against The Machine und so weiter groß geworden sind, wo es um Fairness, Offenheit und Menschlichkeit geht und wir darüber sozialisiert wurden, wissen wir natürlich auch, was Musik an Potential für Veränderung hat. Wo Leute erst mal für einen guten Abend kommen, betonen wir natürlich, dass es nicht dabei bleiben sollte, kurz mal „Nazis Raus“ zu rufen auf dem Konzert. Haltet die Augen offen, guckt, was um euch herum passiert an Diskriminierung und Rassismus, und setzt euch aktiv dagegen ein.

“Bomben, lauter als Bomben
Alle reden nur laut und immer durcheinander
Frieden, erzählt mir nichts von Frieden
Wir legen die Waffen doch nur nieder
um größere zu nehmen.”
(Auszug: „Keiner kommt hier lebend raus“)

 

Erinnern wir uns an euren Auftritt beim Musikfestival „Rock am Ring“ 2017 – es gab eine Terrorwarnung , das Festival wurde unterbrochen, „Bild“ und AfD wetterten gegen Muslime, und der Veranstalter Lieberberg, sichtlich unter Druck, hetzte direkt mit, er sagte: „Ich bin der Meinung, es muss jetzt Schluss sein mit ,this is not my Islam and this is not my shit‘.“ Letztlich stellte sich heraus, es gab keine Terroristen, falscher Alarm. Wie war das für euch?
INGO: Nach langem Warten im Backstagebereich, ohne zu wissen, wie’s weitergeht, fuhren wir am Folgetag rüber zum Nürburgring und uns wurde gesagt, es gibt ein paar Hundertschaften Spezialeinheiten zusätzlich, aber die Terrorwarnung ist aufgehoben. Da waren wir auf einmal in der glücklichen, aber auch delikaten Situation, dass wir als erste Band auf der Hauptbühne den Spielbetrieb wieder aufgenommen haben. Dann geh mal mit der Situation um – hinter dir ein Banner mit der Aufschrift „Lauter als Bomben“ und du möchtest den Song „Keiner kommt hier lebend raus“ debüttieren. Das war eine sehr delikate Nummer. Natürlich sind die Leute erleichtert und haben Bock zu feiern, aber sind auch gleichermaßen verunsichert, das kann also auch eine Massenpanik mit 80.000 Leuten auslösen.

Also haben wir überlegt. „Können wir den Song überhaupt spielen?“ Die Situation war aber auch ein Abbild dessen, was wir mit  „Keiner kommt hier lebend raus“ thematisieren, und wir wollten auch den hitzigen, unschönen Generalverdacht Lieberberg nicht unkommentiert lassen. Am Ende des Tages haben wir also den Song aus einer „Jetzt erst Recht“-Haltung und mit klarer Ansage gespielt – und das ist in den Medien viral gegangen. So konnten wir in einer beschissenen Situation ein positives Statement setzen.

Was können wir tun, um unsere Gesellschaft gerechter zu machen?
INGO: Ich glaube, man ist sehr gut damit beraten, sich selbst immer wieder zu hinterfragen. Wir formuliere ich bestimmte Dinge, welche Argumente nutze ich? Alltagsrassismus, Diskriminierung und Alltagssexismus haben sich oftmals in unsere Wortwahl eingeschlichen. Ich habe neulich mit unserem Drummer drüber gesprochen, wie „normal“ es für viele ist, negative Dinge als „schwul“ zu bezeichnen. Da gilt es schon aufzuhorchen und seine eigenen Worte so zu wählen, dass man keine Diskriminierung manifestiert. Und grundsätzlich: Wird man Zeuge von Diskriminierung, sollte man auf jeden Fall den Mund aufmachen. Und wenn man sich alleine nicht traut, Unterstützung suchen und das gemeinsam tun.

Nach 25 Jahren und elf Alben, wie hört ihr da Musik, wie sucht ihr nach Inspiration?
INGO:Wir haben mittlerweile einen Modus gefunden, dass wir uns, wenn wir ins Studio gehen und an neuen Songs arbeiten, gegenseitig Musik vorspielen – kreuz und quer, aus allen Genres, aus allen Jahrzehnten. Ich gehe auch noch auf superviele Konzerte und freue mich diebisch, wenn meine Lieblingsbands neue Platten rausbringen. Aber man hört alles ein bisschen analytischer … ich versuche immer, hinter das Genie meiner Lieblingsbands zu kommen.

Euer Song „Das Dorf war L.A.“ erinnert mich an alte Zeiten, daran, wie es sich anfühlte, mit der Bande um die Häuser ziehen … Schaut ihr manchmal mit Melancholie zurück?
INGO: Vor allem mit Rückenschmerzen. (Alex und Ingo lachen) Natürlich schaut man ein bisschen mit Melancholie zurück, aber erstaunlicherweise fühlt es sich, auch nach 1000 Konzerten und 25 Bandjahren, alles noch so frisch an. Ich habe gar nicht das Gefühl, dass das schon so eine lange Zeit ist. Dass unser halbes Leben lang die Band dabei war, ist schon krass. All‘ die guten und schlechten Sachen machen dich ja zu dem, der du heute bist, also sollte es eigentlich, wo du jetzt gerade bist, am allerbesten sein – und das kann ich so nur unterschreiben.

ALEX: Ich glaube, eine ganz wichtige Sache ist, dass wir alle immer auch Fan geblieben sind, wir sind nie Profis geworden und sind immer noch total aufgeregt, voller Vorfreude vor Konzerten und es ist nie Routine geworden.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft – für euch als Band, persönlich, für die Gesellschaft?
INGO: Ganz persönlich für uns als als Band wünsche ich mir noch viele Jahre mit neuer Kreativität, dass der Antrieb nicht nachlässt und dass es niemals zur Arbeit oder normal wird.

Und dass wir weiterhin allerbeste Freunde sind. Dann kann das gerne noch unendlich lange so weitergehen.

Und für die Gesellschaft ganz plakativ mehr Frieden, mehr Aufeinander zugehen. Ich freue mich, wenn wir unseren kleinen Beitrag leisten können und mit unseren „kleinen Kacksongs“ (lacht) Leute zusammenbringen können, und dass das an vielen Orten noch öfter passiert.

ALEX: Überleg mal, was du gerade gesagt hast, was du dir für unsre Gesellschaft wünschst.

Man würde denken, jeder wünscht sich Frieden, aber jetzt gibt es Leute, die sagen, ich wünsch mir eine Mauer zum Nachbarland. Wie kommt man dazu, so zu denken?

Ich glaube, es ist wichtig, dass man alle Informationen hinterfragt, gerade in Zeiten von Filterblase und sozialen Netzwerken. Wir sollten eine Medienkompetenz entwickeln, um Wahrheit von Angstmache zu unterscheiden, es ist verheerend zu sehen, was das für eine Eigendynamik entwickelt.

Wir danken den Donots ganz herzlich, dass sie sich die Zeit für unsere Fragen genommen haben, und fühlen uns geehrt, eine so großartige Band im Kreise unserer „Ethical Supporter“ zu haben. 

Es gibt noch wenige Tickets für die nächsten Tourtermine!

Weit herumgekommen: Die Donots in den USA – mit Ethletic-Sneakern.

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