Der Mensch drängt die Natur zurück.

More than vegan: Warum wir uns mit einem „tierfreien“ Produkt nicht zufriedengeben dürfen

More than vegan!
Vegan, und gut!? Nein, das trifft bei Weitem nicht auf alle „tierfreien“ Produkte zu. Es geht um mehr.

Vegane Synthetik-Sneaker aus Kunstleder. Vegane Winterjacken aus Daunenersatz. Vegane Rucksäcke, vegane Kosmetik, vegane Nahrungsmittel sowieso: Vegan wird überall als DAS Label benutzt.

Der von vielen noch vor wenigen Jahren belächelte Verzicht auf tierische Inhaltsstoffe ist Trend und im Massenmarkt angekommen.

Viele Produkte, die von Hause aus und schon immer ohne tierische Inhaltsstoffe hergestellt wurden, werden mit einem Mal als vegan ausgezeichnet und beworben. Doch auch neue Produkte erobern den Markt, und immer mehr Kund*innen greifen zu.

Das ist einerseits legitim und auch gut, weil es dazu führt, dass Produkte, die tierische Inhaltsstoffe enthielten, verbessert und neue Materialien entwickelt werden.

Doch dieser Trend führt eben auch dazu, dass selbst im Hinblick auf den Herstellungsprozess und ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen problematische Produkte, nur weil sie eben nicht direkt auf Tierleid beruhen, ein besseres Image bekommen als sie verdient haben.

Vegane Produkte müssen nicht zwangsläufig nachhaltig sein

Was ist die Intention dessen, der daran interessiert ist, dass ein Produkt vegan ist: Geht es ihm darum, dass nicht direkt Tiere verarbeitet und geschädigt werden, oder ist die Idee eben auch „allen“ Tieren ein funktionierendes Ökosystem zu bieten und einen Lebensraum zu erhalten – denn das gewährleistet das Produkt oft genau eben nicht.

Ganz im Gegenteil: Im Zweifelsfall kauft man ein Produkt, welches das Ökosystem in ganz herkömmlichem Maße ausbeutet und in der Produktion dieselben schlechten sozialen Bedingungen bei den Mitarbeitern schafft.

Es geht um den Lohn, die Förderung von Gleichberechtigung und die soziale Absicherung, wenn wir von „fair“ sprechen. Neben einer Wertschöpfung, die zu guten Teilen im Land bleibt, sind dies wichtige Grundlagen für einen funktionierenden Staat – besonders in Ländern, die aktuell nicht unsere Grundlagen zum Lebenserwerb teilen.

Für den eigentlichen Gedanken von Veganismus wäre es kontraproduktiv, wenn die Tendenz im Massenmarkt lautete: „Hauptsache irgendwie vegan“.

Konsument*innen müssen erwarten, dass ein veganes Produkt auch gewisse Mindeststandards einhält was Produktion und Nachhaltigkeit betrifft. Durch diesen Druck sollte es für die Hersteller eine Selbstverständlichkeit werden.

Es bringt schlussendlich nichts, wenn das als „vegan“ gelabelte Produkt das Ökosystem genauso belastet wie das herkömmliche, und wir den Lebensraum eines diversen, funktionierenden Ökosystems fortlaufend weiter dezimieren – das große Problem auch aller wildlebenden Tiere.

Eine Mischkultur ist zum Beispiel meist kleinteiliger und dadurch aufwändiger als eine Monokultur, welche man mit Großmaschinen bewirtschaftet. Gleichzeitig kosten die Maschinen des industriellen Anbaus sehr viel Geld und nähren damit wiederum eine ausbeutende, extensive Produktion.

Ethletics Anspruch ist umfassender und reicht über Siegel hinaus

Es ist auch eine Entscheidung, ob man viel Kapital für Kredite aufwenden möchte, oder ob man es dem Menschen selbst in die Hand gibt.

Wer als vegan gelabelte Produkte kauft, ist ein Tierfreund und will, so die Annahme, eigentlich auch wildlebende Tiere und das gesamte Ökosystem schützen.

Unser Anspruch für Ethletic ist deshalb weiter gefasst und wir investieren in vielen Bereichen  Zeit, Arbeit und Kapital für einen ganzheitlicheren Ansatz.

Wir bieten ein zu 100 Prozent veganes Produkt, das sowohl das Ökosystem erhalten als auch die sozialen Standards bei den Beschäftigten verbessern und schützen soll.

Ein fairer Lohn gehört genau so dazu wie saubere, sichere Arbeitsbedingungen und der Schutz der persönlichen Rechte der Arbeitnehmer*innen unseres Produktionsbetriebes in Sialkot/Pakistan.

Nachwachsende Rohstoffe wann immer möglich

Wir verzichten bewusst auf alle vermeidbaren nicht nachwachsenden Rohstoffe, wo immer es uns möglich ist – etwa auf synthetischen Klebstoff. Der Schuh als Endprodukt enthält nur geringe Anteile an nicht-nachwachsenden Rohstoffen. Die Enden der Schnürsenkel und die Metallösen sowie der Faden zum Vernähen sind hier bei einigen Modellen noch die Ausnahmen.

Wenn man das an den Siegeln festmacht, die wir tragen – Fairtrade für unsere Baumwolle, FSC für den Naturkautschuk – so repräsentieren sie nicht die ganze Realität von Ethletic. Biobaumwolle aus Kleinkooperationen, die in Mischkulturen angebaut wird und damit mehr Artenreichtum ermöglicht, macht einen großen Unterschied zur industriell angebauten Biobaumwolle.

Kautschuk zu 100 Prozent nachhaltig – kein Mischprodukt

Gleiches gilt für das FSC-Siegel – man sieht es noch häufiger als das Vegan-Siegel, auf der Schoko-Verpackung genauso wie auf dem Gartenstuhl. Wir aber tragen für die Latexmilch, welche die Grundlage unserer Schuhe bildet, ein 100%-FSC-Siegel: Dies belegt, dass es sich eben nicht wie bei der großen Masse der Produkte um ein Mischprodukt handelt, nein, der Naturkautschuk stammt zu 100 Prozent aus nachhaltig bewirtschafteten Plantagen. Auch in der Weiterverarbeitung ist der Ertrag für die Arbeitnehmer*innen wiederum höher. Ein Siegel kann diese Realitäten kaum wiedergeben.

Viele Krisen unserer Zeit sind leider menschengemacht. Wie der Klimawandel, so auch die Corona-Pandemie. Expert*innen wie die Biologin Simone Sommer sind sich einig: Die Corona-Pandemie wäre ohne den Menschen nicht entstanden.

Der WWF (World Wildlife Fund) schreibt dazu auf seiner Webseite: „Bei der Zerstörung von Wäldern und anderen Lebensräumen verändert der Mensch die gewachsenen Strukturen der Ökosysteme tiefgreifend. Dringen wir in diese Ökosysteme ein oder zerstören sie sogar, verlieren Krankheitserreger ihren Wirt und suchen sich einen neuen – nicht selten ist das ein einzelner Mensch.“

Der US-amerikanische Autor David Quammen schreibt über diesen „Spillover“-Effekt: „Wo Bäume gefällt und Wildtiere getötet werden, fliegen die lokalen Keime wie Staub umher, der aus den Trümmern aufsteigt.“ Die unnatürliche Nähe von Mensch und Wildtier ist fatal.

Es geht darum, dass der Mensch die Ökosysteme immer weiter zurückdrängt, dass unser Handeln, das Handeln der Menschheit, immer noch und kaum gebremst die Grundlagen des Lebens von uns allen zerstört.

Wir müssen hinter die Fassade schauen

In der Krise werden in der Gesellschaft die Auswirkungen auch in der wachsenden Ungleichheit sichtbar. Es ist ein normaler Vorgang des Kapitalismus, wenn Reichtum einzelner größer wird und Armut in gleichem Maße zunimmt. In wirtschaftlichen Krisen laufen diese Prozesse deutlich schneller ab und werden so deutlicher.

Die größte Sicherheit geben uns dagegen ein intaktes Ökosystem und stabile gesellschaftliche Strukturen. So „anstrengend“ dies auch erscheint, so sollten wir uns nicht allein durch bestimmte Siegel in Sicherheit wiegen lassen.

Schauen wir öfter mal hinter die „grüne“, „tierfreundliche“ Hülle.

Bei all den Herausforderungen ist es schön zu erleben, wenn Menschen zusammenarbeiten, um etwas besser zu machen – und sich auf diesem Weg helfen und unterstützen.

Wir danken euch von Herzen für euren Support.

#allaboutteamplay


Redaktion: Annika Langhagel, Beat Urs Gruber
Fotos: Header von Joshua Welch, Hauptfoto von Daria Shevtsova via www.pexels.com