Konkurrenz zu Adidas, Nike und Co.: „Wir lassen das Geld auf den Baumwollfeldern und in den Fabriken“

NEWS – In der aktuellen Saison hat Ethletic alle Aktivitäten unter das Motto „All about teamplay“ gestellt. Wir haben mit CEO Marc Solterbeck (Foto oben mit tip me-Gründer Jonathan Funke) darüber gesprochen, was der Team-Gedanke ihm persönlich bedeutet, wie er das neue Lieferkettengesetz einschätzt – und was ihn ganz persönlich am Laufen hält.

Marc, was bedeutet Teamplay für dich und deine Arbeit?

Was Ethletic betrifft ist Teamplay in der jetzigen Situation das Gebot der Stunde, denn in einem Team versteht man sich blind. Wir haben durch die Pandemie nicht die Möglichkeit, uns häufig zu begegnen, und müssen uns aufeinander verlassen können, auch wenn wir an vielen verschiedenen Stellen der Welt arbeiten. Dass das funktioniert ist ein Beweis dafür, dass man in einem Team spielt.

Es gibt auch einen größeren Kontext, in den Ethletic das Motto stellt, richtig?

Mir war es wichtig, die Kampagne „Teamplay“ zu nennen, weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir die Probleme, die wir mit der Klimaveränderung haben, nicht mehr in den Griff bekommen durch das Engagement einzelner Staaten, einzelner Menschen, einzelner Intellektueller, sondern dass es eine Aufgabe der ganzen Menschheit ist, der wir uns stellen müssen.

Hier wollen wir als Ethletic dafür werben, dass die Menschen zusammenstehen und eine Einheit bilden, und auch als Einheit dafür eintreten, dass wir mit der Zerstörung unseres Planeten aufhören.

Wir müssen jeden mitnehmen. Das ist ein Problem, das alle angeht und das wir nicht bewältigen können, wenn nicht alle Menschen zusammenhalten und ein Team bilden und für die gleichen Ziele kämpfen.

Was ist für dich das gemeinsame Ziel auf diesem Planeten: Ein gutes Leben mit Respekt und auf Augenhöhe?

Das hört sich zwar schön an … doch ich persönlich halte von solchen pathetischen Ansagen nichts. Meine Regel ist einfach: „Make this planet a better place.“ Mach es einfach besser! Wenn jeder mit dieser Haltung durch die Welt laufen würde, würde es auch gelingen.

Was hat sich im Wettbewerb aus deiner Sicht zuletzt verändert?

Da gibt es etwas, das mich wirklich stark berührt. Als ich vor zehn, zwölf Jahren angefangen hab, mich als einer der Pioniere bei den Konsumartikeln für Nachhaltigkeit zu engagieren, da war man in einer guten, liebevollen, klugen Gemeinschaft von ein paar Vorreitern. Man konnte sich austauschen und es gab eine allseits präsente Hilfsbereitschaft von allen Seiten.

Im Laufe der Zeit haben mehr und mehr Menschen mitbekommen, dass Nachhaltigkeit ein Wirtschaftsfaktor sein kann, und dadurch verschärfte sich auch hier der Ton. Das bedauere ich sehr.

Für mich ist es kein nachhaltiges Wirtschaften, wenn man zehn Euro ausgeben muss, um auf Social Media ein Produkt zu verkaufen, von dem man dann einen Euro zurückführen kann an Sozialem Benefit – das steht in keinem Verhältnis mehr.

Zumal es am Ende nur darum geht, für die mediale Präsenz mehr Geld auszugeben als die Wettbewerber, und davon gibt es inzwischen viele.

Dieses Vorgehen kann nicht nachhaltig sein, und es ist auch nicht klug und intelligent – und damit etwas frustrierend. Nachhaltiges Wirtschaften kann ich so in der westlichen Welt nicht erkennen. Da müssen wir uns andere Mechanismen ausdenken.

 

Marc Solterbeck leitet Ethletic seit inzwischen zehn Jahren.

Teamplay ist ein Begriff aus dem Sport. Was verbindest du persönlich damit?

Meine Eltern haben mich sehr früh zum Fußballspielen geschleppt. Als wir Jungs sieben waren oder acht ist meine Mannschaft Stadtmeister geworden. Diese Kindermannschaft ist bis zur Jugend zusammengeblieben, und wenn ich heute, nach über 40 Jahren, einen meiner damaligen Mannschaftskameraden irgendwo wiedersehe, dann gibt es immer noch eine Verbundenheit.

Das ist etwas, das kann man nicht aussprechen. Das ist ein Band, das ist ein Gefühl, das gibt einem eine tiefe Ruhe, wenn man eine solche Verbundenheit hat.

Ich weiß, ich habe im Prinzip überall Familie, weil ich in verschiedenen Ländern mit verschiedenen Leuten zusammengearbeitet habe. Wenn man ehrlich miteinander war, so hat man dadurch den größten Zugewinn, den es überhaupt gibt, nämlich dass die ganze Welt dein Zuhause ist.

Das Bundeskabinett hat gerade nach langem Ringen das Lieferkettengesetz beschlossen, für „mehr Schutz von Menschen und Umwelt in der globalen Wirtschaft“.  Kinderarbeit, Ausbeutung, Diskriminierung und fehlende Arbeitsrechte werden ebenso in den Blick genommen wie illegale Abholzung, Pestizid-Ausstoß, Wasser- und Luftverschmutzung. Es gibt allerdings viel Kritik daran, dass es zu lasch sei.

Das Lieferkettengesetz – das ist eine großartige Sache. Nicht, weil das Gesetz als solches großartig ist, sondern die Tatsache, dass es überhaupt eines gibt.

Wenn man sich vor zehn Jahren in seinen Kreisen über so etwas unterhalten hat, dann hätte man sich nicht träumen lassen, dass es in dieser Generation noch einmal eine solche Intervention von staatlicher Seite aus geben würde. Und jetzt, zehn Jahre später, hat man ein Lieferkettengesetz. Das ist eine riesige Errungenschaft. Punkt, kein Aber.

Die Ausgestaltung ist halt nicht fertig. Man kann nicht Rom an einem Tag erbauen. Wir in Deutschland müssen erst mal zeigen, dass es funktioniert. Das wird uns am Ende ein Stück unseres Wohlstandes kosten, denn die Produkte werden aufwendiger und teurer.

Weil es den Menschen und der Umwelt dort, wo die Produkte erzeugt werden, ein kleines bisschen besser gehen wird. Es wird dauern, bis andere Wirtschaftsräume so etwas übernehmen werden.

Am Ende des Tages ist das ein großer Erfolg, und es ist auch eine kleine Ehre für Ethletic und für mich, zu den Pionieren zu gehören, die diesen ganzen Vorgang mit initiiert haben.

Inwieweit behindert der Profitgedanke das Teamplay? Ethletic-Turnschuhe sind am Markt nicht teurer als Konkurrenzprodukte großer Global Player…

Eigentlich gar nicht, weil man genau dadurch, dass man ein Teamplay spielt, weniger Reibungspunkte hat. Fairness, Ehrlichkeit und klare Ansagen können ein sehr guter Beschleuniger sein in der Wirtschaft. Das muss sich nicht unbedingt negativ auswirken.

Warum wir auf dem Preisniveau, fast auf Augenhöhe von Adidas, Nike und Co anbieten können? Das ist relativ einfach. Die großen Markennamen haben pro Artikel ein Riesen-Werbebudget, so bezahlt der Kunde zum Teil 30 Prozent des Ladenpreises dafür, dass er geworben wird.

Diese 20 bis 30 Prozent haben wir nicht zur Verfügung: Wir lassen sie auf den Baumwollfeldern und in den Fabriken und auf den Transportwegen, die wir versuchen, nachhaltig zu gestalten, und die dadurch teurer sind.

Nachteil: Uns kennt „keiner“, weil wir halt fast nicht werben. Auf der anderen Seite wäre es fatal, mehr Geld für die Werbung auszugeben als für die Umwelt und für den Arbeitsschutz. Das würde nicht der Idee der Marke entsprechen und dafür wäre ich auch nicht zu haben.

Ich bin angetreten mit der Bleiweste auf dem Rücken, um zu zeigen, dass es halt auch nachhaltig und fair möglich ist, Produkte zu wettbewerbsfähigen und marktüblichen Preisen anzubieten. Das ist manchmal ein bisschen anstrengender, aber es bringt Spaß, wenn man es trotzdem hinbekommt.

Mit dem Gesetz sollen gleichzeitig auch Wettbewerbsnachteile für Unternehmen abgebaut werden, die schon lange freiwillig in ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement investieren – so wie Ethletic.

Genau genommen ist das totaler Nonsens, da wir heute international handeln und ein deutsches Lieferkettengesetz da fast gar keinen Impact hat, das schützt niemanden.

Was auf jeden Fall stimmt ist, dass auch Unternehmen, die noch nicht nachhaltig sind, jetzt genauer hinschauen: Was passiert da, was wird passieren? Und ihr Handeln auf diese Zukunft ausrichten.

Denn das Lieferkettengesetz wird nicht mehr verschwinden, ganz im Gegenteil, es wird stückweise verschärft werden, und darauf richten sich die Unternehmen ein.

Mit welchen Folgen für die kleinen Öko-Unternehmen?

Wenn die Großen anfangen, mit ihren Instrumenten und Milliarden nachhaltige Ware zu bewerben und in der Fläche zu verteilen, dann bleibt für uns kleinen Brands nicht mehr viel Spielraum übrig.

Positiv gesprochen: Dann haben wir unseren Zweck als First Mover erfüllt und können die Messlatte erneut noch ein Stück höher und höher legen. Ich denke an Pfandsysteme, Recycling, solche Ideen.

Ich hatte nie vor, einen Weltkonzern zu gründen, sondern ich wollte Modelle schaffen, an denen andere sich orientieren können – und sie orientieren sich halt nur dann, wenn du ein Modell hast, das wirtschaftlich belastbar und erfolgreich ist.

Und das nehme ich für Ethletic einfach mal so in Anspruch: dass wir eine Orientierung sind für die Großen. Wir haben praktisch mit einer Handvoll Fans, Kunden, Followern angefangen, und heute ist aus dieser Handvoll schon eine kleine Großstadt geworden. Diese Entwicklung sehen die großen Firmen auch, und sie nehmen dann so ein Lieferkettengesetz als Leitfaden, wie sie sich zukünftig ausrichten müssen.

Wie siehst du die Rolle des Konsumenten: Kann er durch bewussten Konsum ausgleichen, was Hersteller und Politik versäumen?

Der Konsument entscheidet fast alles. Wenn der Konsument möchte, dass Produkte nachhaltig produziert werden, dann darf er halt nur noch nachhaltige Ware kaufen. Dann werden die Unternehmen sich so schnell umstellen, so schnell kann man gar nicht Blaubeerkuchen sagen. Weil der Kunde der Einzige ist, der ihnen das Geld gibt – es gibt niemand anderen.

Daher kann der Kunde die Spielregeln bestimmen. Jetzt kann man darüber sprechen: Warum tut er es nicht? Weil die Politik nicht die richtigen Leitlinien setzt, um die Umwelt und die Menschen zu schonen.

Und das nutzt, na klar, die Wirtschaft aus, indem sie andere, kurzfristigere Bedürfnisse anregt bei den Konsumenten.

Ich sehe die Aufgabe von uns Pionieren darin, den Leuten Freude an Nachhaltigkeit zu vermitteln.

Was ein Team auch in schwierigen Zeiten zusammenhält, ja, kämpfen lässt, sind gemeinsame Ideale. Welche Hindernisse musst du regelmäßig überwinden, und welche Vorstellung treibt dich an?

Was sich bei der täglichen Arbeit als schwierig herausstellt, ist das Pervertieren des nachhaltigen Gedankens. Wenn ich ihn verbreiten will, so kostet das Geld, denn die Kanäle sind begrenzt oder sind in limitierten Händen.

Wenn ich für einen Gedanken werben muss, und über die Werbung andere verdrängen muss, die einen ebenso guten Gedanken haben, dann ist das in sich schon mal schlecht. Zum anderen ist es auch schlecht, dass der, der die Werbeeinnahmen hat, diese Welt nicht besser machen, sondern den Konsum noch mehr anzuheizen wird.

Auf der anderen Seite musst du versuchen, in diesem wirtschaftlichen Umfeld zu bestehen. Das größte Hindernis ist der innere Konflikt: Wie weit darf man sich auf die Spielregeln einlassen und mitspielen? Zum Glück hat unser Team da einen starken inneren Kompass.

Zu Besuch bei Baumwollbauern in Pakistan.

Teamplay, Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen ist bei Ethletic Alltag. Lohnt sich der Einsatz?

Darüber denke ich selbst nach. Wir haben jetzt das Lieferkettengesetz, für das wir gekämpft haben. Wir haben jetzt Menschen, für die Nachhaltigkeit im Alltag eine große Rolle spielt, vom Postboten bis zur Oberstudienrätin. Das alles gab es vor zehn Jahren nicht. Ist die Mission damit erfüllt? Ich meine, nein! Es gibt noch unendlich viel zu tun, wenn wir diese Erde unseren Kindern in einem lebenswerten Zustand hinterlassen wollen.

Also sucht man sich Menschen auf dieser Welt aus, mit denen man eine Grundhaltung teilt, und mit diesen Menschen ist man gern zusammen und versucht, Dinge weiterzuentwickeln und für Botschaften zu werben. Allein dieser Austausch, dieses Teamplay und das Gefühl, auf der ganzen Welt zu Hause zu sein, das ist der größte Lohn, den man sich vorstellen kann, und ich möchte es nicht missen.


Interview: Annika Langhagel