Du kannst alberne Sprüche klopfen, eine Protestbotschaft aussenden oder deine Lebensphilosophie zur Schau tragen; du kannst dich als Fan von etwas oder jemandem outen, kannst als wandelndes Kunstwerk auftreten oder einfach Mut zu Mustern und Farbe bekennen: Kein anderes Kleidungsstück eignet sich so perfekt für ein persönliches Statement wie das T-Shirt!
Text: Nicoline Haas

Die folgenden fünf Marken zählen zu den wohl kreativsten Shirtmachern im grünen Segment. Da müsste für jeden etwas dabei sein – es sei denn, du bist Purist. Welcher T-Shirt-Typ bist du?
Dedicated
Typ: Retro-Rocker/in, Scherzkeks, Boardrider u.v.a.
Print lebt! Das gilt jedenfalls für T-Shirts. Und ganz besonders für die fairen Bioshirts von Dedicated: Das Stockholmer Label des Skateboarders und langjährigen Streetwear-Unternehmers Johan Graffner arbeitet mit einem internationalen Pool aus Kreativen zusammen – Fotografen, Grafikern, Illustratoren – und gibt ihnen in Form von Shirts eine Bühne. Einen typischen Dedicated-Stil gibt es daher nicht, auch keine bestimmte Zielgruppe. Jede Kollektion sieht anders aus und könnte auch in sich nicht heterogener sein. Die Aussagen rangieren zwischen politisch und purem Unfug.

Ü40-er dürften bei den Retromotiven mit Schallplatten, Musik- oder VHS-Kassetten schwach werden – und das zeitkritische Shirt-Duo des polnischen Illustrators Tymek Jezierski begrüßen: Es stellt „Social Networking“ früher und heute gegenüber. Einst nahmen die Leute ihre Umgebung wahr und unterhielten sich sogar, heute gucken alle nur noch runter, auf ihre Smartphone-Displays.
Bei einigen Motiven stellt sich die Frage: Ist das noch cool oder schon bad taste? Will ich mit einer Frau auf der Brust herumlaufen, die im Maul eines Hais steckend, ein „Selfie“ macht? Oder mit einem Typen, der auf seiner Tastatur durch den Weltraum surft – platt überschrieben mit „Internet“?
Gerade sehr angesagt sind figürliche All-over-Prints: Auf dem „Wildlife“-Shirt tummeln sich Bären, Rucksäcke, Wale, Adler, Tannen und – wieso eigentlich Propellermaschinen? Das „Cactus“-Shirt mit Piekspflanzen von der Opuntie bis zum mexikanischen Säulenkaktus verleitet nicht gerade dazu, den Träger zu umarmen, ebenso wenig „Shark Bite“ mit hunderten offenen Mäulern. Die Engländerin Eliza Southwood, früher Architektin, heute Illustratorin, hat ein Faible für Räder, Radfahrer und Radrennen: Ihre „Bike People“ sind in allen erdenklichen Posen zu bewundern, auch beim Schrauben am kaputten Rad. Auch witzig sind ihre „Tennis People“ – Aufschlag, Vorhand, Volley – Spiel, Satz und Sieg! www.dedicatedbrand.com

FellHerz
Typ: Freches, fesches Madl
Mal döst es in einer Hängematte zwischen Tannenwipfeln im Wald, mal spielt es Tuba und entlässt dabei einen Schwarm Schmetterlinge aus dem Schalltrichter, oder es strickt sich einen pinken Pulli, während zwei Katzen mit dem Wollknäuel spielen … Das kleine Mädchen (oder bayerisch: Madl) ist die wiederkehrende Heldin in der Welt von FellHerz: „Das Mädchen hat keinen direkten Bezug zu mir oder meinem Leben, es ist meiner Fantasie entsprungen“, erzählt deren Schöpferin Beate Fellner aus München.
„Bei meinem Erstlingsmotiv sitzt das Mädchen auf einer Pusteblume und lässt die Samen tanzen. Die Reaktionen darauf waren so stark, dass mir klar wurde: Mit einer kleinen Figur kann ich eine große emotionale Projektionsfläche schaffen!“
„Oh, wie herzig!“ oder „Süß!“ seien typische Ausrufe ihrer Kundinnen, die sich oft nicht nur für ein Shirt entscheiden könnten.

FellHerz setzt sich aus den Nachnamen von Beate Fellner und Sonja Herzeg zusammen, die das Label 2006 zusammen ins Leben riefen. Seit 2009 ist Beate solo für FellHerz kreativ. Einen Teil ihrer Blanko-Rohware bezieht sie über die befreundete und benachbarte Firma ThokkThokk (nächster Text!), darunter die Cap Sleeves mit schräg angesetzten Raglan-Ärmeln und die Oversize-Shirts. Und wie entstehen die bunten Illustrationen? Sie wirken wie mit Tusche oder Aquarellfarbe gemalt. Beate erklärt:
„Ja, ich zeichne, pinsele oder kleckse alles per Hand vor und bearbeite die Motive nur leicht am Computer nach. Für den anschließenden Siebdruck nutze ich Öko-Farben auf Wasserbasis.“
Ihre Werkstatt befindet sich am Rand eines Gewerbe- und ehemaligen Industriegebiets am Ostbahnhof, wo Pfanni noch bis 1996 Knödel fabrizierte. Derzeit entsteht hier mit dem „Werksviertel“ ein ganz neuer Stadtteil mit Büros, Wohnungen und Kulturstätten. Auf noch brach liegendem Terrain hat sich im März das „Container Collective“ gebildet, wo Beate einen mit Flamingos verzierten Seecontainer ergatterte. Umgeben von Pop-up-Stores, Ateliers, Cafés und zwei Radiosendern, präsentiert sie ihre Kollektion und lässt sich zu neuen Motiven inspirieren.
www.fellherz.de

ThokkThokk
Typ: Grafik- und Muster-Maniac
Wer auf geometrische Formen und Muster steht, kann bei ThokkThokk aus rund 120 Designs auswählen, die auf unterschiedlich geschnittene Männer- und Frauenshirts gedruckt werden. Seit elf Jahren leistet das Münchner Label einen erstaunlichen Output, wobei beliebte Klassiker auch übersaisonal zu haben sind. Los geht es mit dezenten Quadraten, Kreisen, Wellen oder Zickzack-Linien; schon etwas gewagter sind die Collagen à la Art Deco oder auch die scheinbar dynamischen Pixel- und Streifenmuster. Das „Crooked Stripes“-Modell beschreibt ThokkThokk so: „Pychedelisches T-Shirt, statt Drogen.“ Grafisch ganz weit vorn sind die Hemden mit stilisierter Flora und Fauna: wie der bunt geringelte Zoo „Otomi“ oder das kantig geformte Gemüse-Allerlei „Veganlove“.

Vinzenz Franz-Xaver Johow heißt der Gründer und kreative Kopf der Marke. Der gelernte Schreiner und Möbelmacher entdeckte in den 2000ern seine Lust am Grafikdesign und fand mit T-Shirts eine ideale Spielwiese. Dass sie ethisch und ökologisch korrekt produziert und per Hand bedruckt sein sollten, war für ihn selbstverständlich. Das minimalistische ,Squared‘-Muster wurde sein erster Bestseller und verkauft sich immer noch gut. „Neben Vinzenz denkt sich überwiegend Simone Graber die Designs für uns aus. Und neben FellHerz kooperieren wir auch mit Ilovemixtapes, YouFou und weiteren Marken“, sagt Marie vom ThokkThokk-Team. „Bisher ist es nämlich nicht allzu einfach, Hersteller für faire Bioshirts zu finden. Bei uns bekommt man gute Qualität, schöne Schnitte und ausgefallene Farben. So werden dann andere Designer auf uns aufmerksam, die auf unsere Shirts drucken.“ www.thokkthokkmarket.com

Zucker
Typ: Pfiffige Kombiniererin
Eines Nachmittags saßen Judith und Jan Pommerehn im Café und erblickten dort eine Frau mit auffälliger Lesebrille um den Hals baumelnd. Da meinte Judith mehr im Scherz zu ihrem Mann: „Wie cool wäre es, wenn die Dame zusätzlich ein Shirt mit aufgedrucktem Gesicht tragen würde?!“ Und Jan grinsend: „Haha, stimmt!“ Da war die Kaffee- und Kuchen-Idee geboren: Judith, studierte Interior-Designerin, gründete das Label Zucker und erdachte von nun an T-Shirts mit Aufdruck und zugehöriger Anhängerkette: Tasse Kaffee? Aber bitte mit einem Stück Zucker!

Der Frosch darf eine Königskrone tragen, und der schietwettergeplagte Mann greift verzweifelt nach seinem Regenschirm, der gerade von einer Windbö erfasst wurde … Auch ein augenloses Gesicht hat Judith in ihrem Atelier in Barsinghausen bei Hannover kreiert – natürlich mit Brillenkette dazu. Die Shirts bestehen aus Biobaumwolle, luftigem Leinen oder Bambus-Viskose, und die Siebdrucke von Hand basieren auf schadstofffreien Plastisol- und Wasserfarben.
zucker-store.de
Coromandel
Typ: Weltverbesserer/in
„Wir sind der kleine Stachel im Fleisch der garstigen Weltverschlechterer“, formulieren Kai Weinrich und Florian Harrlandt ihre Rolle. 2012 beschlossen die Leipziger, die Welt ein bisschen besser zu machen: mit Shirts für sie und ihn, die weder die Natur, noch Textilarbeiter ausbeuten.
„Mit Blick auf massenhaftes Artensterben, wachsende Plastikstrudel in den Ozeanen, Nahrungsmittelknappheit in vielen Teilen der Welt und rasant schmelzende Polkappen, haben wir uns zu kleinen Wutbürgern mit geballten Fäusten entwickelt“,
erläutern die zwei leidenschaftlich. Bei Coromandel, benannt nach einer idyllischen neuseeländischen Halbinsel, dient jedes Shirt als Protestplattform. Freie Künstler sind eingeladen, ihre Ideen einzureichen. Was zur Philosophie von Coromandel passt und ästhetisch gefällt, wird in die Kollektion aufgenommen.

Teils sind die Motive plakativ und grafisch klar, teils subtiler und betont kunstfertig. Die Zeichnungen von Eszter Metzing, die sich auch gegen die Pelztierindustrie richten, sind vielleicht etwas zu fein und detailreich für einen T-Shirt-Druck. Dagegen springt der gräserne „Barcode“ von Neele Bunjes ins Auge: Der Rasenmäher soll symbolisieren, wie wir Menschen uns profitgeil durch die Landschaft fräsen. Muhammad Shontana zeigt mit „Running low“ den afrikanischen Kontinent als auslaufenden Wasserbehälter, um auf verheerende Dürren hinzuweisen. Und Jeffrey Postma führt mit „Love Hurts“ das Paradoxon unserer Tier- und gleichzeitiger Fleischliebe vor Augen. www.coromandelfashion.com