Der Streit ums Lieferkettengesetz: Menschenrechte sind verdammt nochmal nicht verhandelbar!

„Es kann doch nicht sein, dass wir in Deutschland Produkte kaufen, die es nur gibt, weil Kinder daran gearbeitet haben oder die Umwelt verpestet wurde!“

Eben im Deutschlandradio: Till Haase reagiert emotional auf die Begründungen seiner Interviewpartnerin Julia Hartmann, warum viele Politiker sich im Namen der Wirtschaftslobby gegen ein neues Lieferkettengesetz sträuben. Die Professorin für nachhaltiges Supply Chain Management kennt die Vorbehalte der Unternehmen: Zu teuer, zu kompliziert … und überhaupt, wir haben das bisher ja auch anders gemacht.

 

Wie kann es denn sein, dass diese Haltung so lange überhaupt toleriert wurde? Wie kann es sein, dass sich rentable Großkonzerne offen gegen eine solche Haftbarkeit wenden? „Das schadet der Wirtschaft, kostet Arbeitsplätze und gefährdet damit den Wohlstand“, lautet das gern genutzte Argument, das vermeintlich jede weitere Diskussion unterbinden möge.

Und was ist mit dem Leben der Menschen, die für unsere Produkte arbeiten? Was ist mit ganzen Landstrichen, die der Rentabilität geopfert wurden und werden?

Während die Große Koalition in Deutschland gerade über ein Gesetz streitet, das Unternehmen bei Auslandsgeschäften für die Nicht-Einhaltung von Mindeststandards im Schutz der Menschenrechte und der Umwelt haftbar macht, gab es in der Schweiz Ende November eine Volksabstimmung. Zur Disposition: Das schärfste Lieferkettengesetz Europas.

Die knappe Mehrheit der Schweizer – 50,7 Prozent – war dafür. Aber es muss auch eine Mehrheit der Kantone zustimmen, was nicht erreicht wurde. Wäre die so genannte „Konzernverantwortungsinitiative“ erfolgreich gewesen, so hätten Unternehmen künftig vor eidgenössischen Gerichten verklagt werden können.

Zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland ist dafür

Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) befürwortet ein Lieferkettengesetz und sieht die Schweizer Abstimmung positiv:

„Das Signal der Wahl ist ganz klar: Die Menschen wollen, dass Konzerne mehr Verantwortung für Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in ihren Lieferketten übernehmen. Sie wollen nicht länger Produkte kaufen, in denen Kinder- und Zwangsarbeit steckt.“

Wer in der Produktion Schäden anrichtet, muss Verantwortung übernehmen: Darum geht es im Liferkettengesetz.

In Deutschland ist die Zustimmung für eine Haftbarkeit der Unternhemen offenbar noch deutlich größer: Laut repräsentativer Umfrage von Infratest dimap im September 2020 sind drei Viertel der Bevölkerung dafür.

Völlig zurecht, denn die Reaktion der Unternehmenslobbys auf die Debatte zeigt ja nur, dass es mit Freiwilligkeit nicht getan ist!

Warum schafft es ein Projekt wie Ethletic, seine Lieferketten zu durchleuchten? Warum ist es möglich, dennoch ein konkurrenzfähiges und nicht völlig „überteuertes“ Produkt anzubieten? Weil der Wille da ist! Weil der Profit bei uns nicht im Vordergrund steht! Marc Solterbeck, Ethletic-CEO, sagt dazu:

„Eine gute Qualiät ihrer Produkte bekommen diese Firmen hin, da steckt ein Wahnsinns-Qualitätsmanagement dahinter, das bis ins kleinste Detail perfektioniert ist. Dasselbe für die Lieferketten aufzubauen, wäre natürlich machbar, keine Frage – doch es kostet eben Geld.“

Ja, wir müssen uns finanzieren und möchten von den Erlösen mit unseren Familien leben können. Doch nicht auf Kosten anderer.

Profit zu machen auf Kosten anderer ist nach wie vor akzeptiert

Eine Selbstverständlichkeit, eigentlich. Und doch offebar so maximal schwer zu verankern in unserer Welt, in der sich das profitorientierte Denken in jeden Lebensbereich gefressen hat.

Lassen wir das nicht zu! Menschenrechte sind nicht vehandelbar. Frankreich und die Niederlande haben bereits ein Gesetz gemacht.

„Das Argument ‚es geht nicht‘ ist ja schon lange widerlegt. Das zeigen die vielen Vorreiterunternehmen, die zum Beispiel bei unserem staatlichen Textilsiegel Grüner Knopf mitmachen. Aber es kann nicht sein, dass andere ohne Rücksicht auf Menschenrechtsstandards produzieren und sich so Wettbewerbsvorteile verschaffen. Märkte brauchen klare Regeln. Von den Großen kann mir keiner erzählen, dass er nicht weiß, wie er produzieren lässt,“

konstatiert Entwicklungsminister Müller.

Eine Möglichkeit, Druck zu machen, ist eine E-Mail über Oxfam an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU).

https://www.oxfam.de/mitmachen/aktionen/lieferkettengesetz-altmaier

Auch die Initiative Lieferkettengesetz, deren Petition an Angela Merkel über 222.222 Menschen unterzeichneten, bietet diese Möglichkeit an:

https://lieferkettengesetz.de/

Bleiben wir also emotional bei diesem Thema. Entscheiden wir uns für Produkte und Unternehmen, die längst andere Wege gehen. Es ist so wichtig.


Text: Annika Langhagel
Fotos: Wallace Chuck, Ksenia Chernaya