Tauschparty Hamburg

Glück ohne Geld

5 Dinge, die ich auf meiner ersten Tauschparty gelernt habe

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Los geht’s: Tauschparty für Frauen im Laden von Stückgut – Unverpackt.

Das Szenario: Eine Tauschparty in Hamburg-Ottensen, ausgerichtet vom „No-Waste“-Laden Stückgut Unverpackt. Eingeladen wurde über Facebook, rund 25 Frauen durften nach Anmeldung schließlich dabei sein (für mehr hätte der Platz im Laden auch nicht ausgereicht, es war so schon recht „kuschelig“). Die Regel: Jede bringt fünf bis zehn gut erhaltene Kleidungsstücke mit und darf sie frei eintauschen. Es gab kein Punktesystem, wie bei diesen Veranstaltungen sonst manchmal üblich. Dabei bekommt man dann für ein sehr hochwertiges Teil mehr Punkte als beispielsweise für ein abgetragenes H&M-Shirt. In diesem Fall lief alles sehr frei ab. So wurde bei der Auswahl der Gäste auch nicht darauf geachtet, ob aus jedem Kleidergrößen-Bereich in etwa gleich viele Personen dabei waren. Damit sind wir auch schon bei Punkt eins:

  1. Größe ist relativ.

Es ist kurz nach 20 Uhr. Mein erster Blick über die anwesenden Gäste: Das könnte knapp werden. Viele superschlanke Mädels dabei. In der Tat hängt am Oberteile-Kleiderständer reichlich in Größe S oder 34. Kurzer Anflug von Frustration: Da passe ich mit meinen 1,80 m und den breiten Schultern auf keinen Fall rein. Aber halt, dieses Top da, das sieht trotz M machbar aus. Probieren kann man es ja mal, also gehe ich mit meiner ersten Eroberung zum aufgestellten Spiegel, der viel zu niedrig ist, weshalb alle Damen davor eine Art Anprobe-Limbo vollführen. Siehe da: Das Top passt! Vielleicht etwas knapp –  aber vielleicht gerade deshalb gut.

Dieselbe Erfahrung macht meine Freundin Simone (1,60 m): Auch sie endet bei einigen wunderbar figurbetonten Teilen, die sie im normalen Laden vielleicht nicht probiert hätte. Von Männergröße L (Zara halt, extrem klein geschnitten) bis Damengröße 34 ist bei uns am Ende alles dabei.

Dass Kleidung je nach Marke und Schnitt total unterschiedlich ausfällt wird einem bei einer Tauschparty noch einmal ganz neu bewusst. Und es funktioniert auch in die andere Richtung: Ein von mir ausrangiertes T-Shirt erzeugt an der kleineren, schmaleren Partybesucherin einen völlig anderen Look – etwas oversized und sehr cool.

Fazit: Größenraster und –schubladen einfach mal „sprengen“, ein schönes Gefühl.

  1. Stil ist da, um gebrochen zu werden.

Im Laden oder beim Onlineshopping scanne ich das Angebot immer sehr schnell nach Sachen in meinem Stil ab. Streifen, schwarz, eher schlicht. Gut und schön, denn so habe ich den letzten Jahren fast nur noch Teile erstanden, die mir wirklich gefallen und stehen. Extravaganzen oder Überraschungen bleiben dabei dann aber auf der Strecke, mit allen Vor- und Nachteilen.

Bei einer Tauschparty interessiert man sich zwangsläufig für eine etwas größere Bandbreite. Beispiel: Eine Bluse, die ich eigentlich für Simone vom Ständer geangelt hatte. Genau ihr Geschmack was Schnitt und Muster angeht. Eigentlich. Denn angezogen fehlte dann doch das gewisse Etwas, der Wow-Faktor. Im Gegenteil waren die Ärmel zu lang, das Bündchen saß an der falschen Stelle. Aber dieses schöne Muster, der feine Stoff… „Sag mal, bist du traurig, wenn ich sie mal anprobiere?“, höre ich mich sagen, und schon drehe ich mich schwer verliebt in dem verspielten Teil vor dem Spiegel. Hätte ich im Laden tatsächlich NIE anprobiert. Muss jetzt aber zugeben: Total süß. Mal was Anderes. Ich behalte die Bluse gleich an.
Fazit: Sich etwas zu trauen fällt bei Tauschpartys leicht.

Ertauschte Bluse
Schnapp! Das ist sie, DIE ertauschte Bluse.
  1. „Gut erhalten“ ist ein sehr dehnbarer Begriff.

„Gut erhaltene“ Teile sollten die Teilnehmerinnen aus ihrem Bestand mitbringen. Zuhause hatte ich meine ausrangierten Shirts, Hosen und Jacken deshalb kritisch beäugt – und tatsächlich eine Jacke mit kleinem Riss und einen Pulli mit Pilling als „zu abgetragen“ eingestuft und nicht mitgebracht. Direkt unangenehm aufgefallen wären die Stücke bei der Party allerdings nicht: Es waren schon einige sehr „abgeliebte“ Teile dabei. Eine Latzhose, bei der einige Knöpfe schon fehlten oder während des Abends abfielen, T-Shirts mit verzogenen Nähten, Strickjacken mit Ziehfäden. Es leuchtet insofern ein, wenn bei Partys dieser Art vom Veranstalter oft „Tauschpunkte“ vergeben werden: So kann der, der gute, hochwertige Teile mitbringt, auch bessere Waren ertauschen. Insgesamt werden bei einem solchen System vermutlich auch „bessere“, teurere Stücke zur Verfügung gestellt, weil derjenige weiß, dass er etwas Gleichwertiges ergattern kann. Andererseits: Ein Abend, der im bloßen Vertrauen auf einen gerechten Austausch funktioniert, hat auch absolut seinen Reiz.
Fazit: Wer schöne Dinge haben möchte, sollte auch solche beisteuern.

  1. Geben ist seliger denn nehmen. Oder sagen wir: Gleichstand.

Kaum hat die Party begonnen, da hat mein ausrangierter Parka schon die Besitzerin gewechselt (siehe unten). Das Teil ist ein Mysterium: Bestimmt sieben Jahre lang von mir regelmäßig getragen, sieht die Jacke immer noch fast aus wie neu. Bei aller Liebe kann ich sie inzwischen aber einfach nicht mehr sehen. Als ich bemerke, wie sehr sich eine Besucherin über diesen Fund freut, weil sie genau so etwas Wasserabweisendes gerade gesucht habe, freue ich mich mit. Und zwar mehr, als ich es erwartet hätte. So richtig, richtig! Das geht mir an diesem Abend noch öfter so: Immer wenn ich erspähe, dass einem anderen Mädel eins meiner Teile gefällt, ergreift mich eine Welle aus beinahe mütterlichem Stolz. Es fühlt sich einfach schön an, eine Klamotte in gute Hände abzugeben. Zu wissen, dass sie an einem Ort, wo sie wertgeschätzt wird, weiterleben kann.
Fazit: Das Glück, zu geben, lässt sich bei einer Tauschparty hautnah erleben.  

  1. Einfach mal beschenken lassen.

Mitten in dem Stapel mit den Hosen – die übrigens deutlich schlechter weggehen als die Oberteile – finde ich plötzlich ein kleines Gaze-Täschen mit einem wunderschönen Paar Ohrhänger in Blattform. Eine von den Anwesenden muss dieses Accessoire mitgebracht haben, so wie andere den Begriff „Kleidung“ ebenfalls breit ausgelegt und auch Taschen oder Tücher beigesteuert haben. Ich kann mein Glück einen Moment lang kaum fassen: Das Schmuckstück ist wunderschön und trifft genau meinen Geschmack. Etwas verstohlen nehme ich die Ohrringe an mich und probiere sie vor dem Spiegel an. Sie sind einfach perfekt. Ich strahle, schäme mich aber auch ein bisschen, dass nun ausgerechnet ICH so etwas Feines gefunden habe. Eine junge Frau wird auf mich aufmerksam. Die Ohrringe seien ein Geschenk an sie gewesen – sie habe allerdings gar keine Ohrlöcher. Mehrfach versichert sie mir, wie sehr sie sich freue, dass die Dinger nicht länger bei ihr verstauben sondern ausgeführt werden. Ich bedanke mich überschwänglich – und kann es langsam zulassen, dass mir „einfach so“ etwas so Schönes in den Schoß gefallen ist.
Fazit: Ein Abend ohne Geld, mit vielen Geschenken – so leicht kann es gehen.

Beschenkt: Annika glücklich mit den neuen Ohrringen.
Beschenkt: Annika glücklich mit den neuen Ohrringen.

Fotos: Stückgut (1), Langhagel (3)
Text: Annika Langhagel