Spitze aus Netzen, Fasern aus Milch
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Jetzt wird’s intim: Mit Erlich Textil und Underprotection stellt euch unsere Autorin Nicoline Haas zwei ganz unterschiedliche Wäschelabels vor, die uns in Sachen Nachhaltigkeit, Stil und Tragegefühl begeistern. Maximal weich und natürlich sind Dessous aus Modal, Milch- und Bananenfasern.
Frauen, die Stringtangas und steife Bügel-BHs selbst unter ihren Alltags- und Büroklamotten tragen, sind mir ein Rätsel. Auch hohe Absätze verstehe ich nicht, aber das ist ein anderes Thema. Für mich muss Wäsche bequem sein. Da darf nichts kneifen, einschnüren oder pieksen, und da muss auch nichts „pushen“ (außer, wenn ich ein Dirndl oder ein enges Partyoberteil trage – was nicht sooo oft vorkommt). Bestenfalls spüre ich meine Wäsche kaum.
Erlich bequem!
Deshalb mag ich das junge Kölner Label Erlich Textil, das sein Produktversprechen „Die bequemste Unterwäsche für jeden Tag“ ehrlich einhält. Im Mittelhochdeutschen schrieb man das positive Adjektiv ohne „h“, daher der Name. Vergangenen Sommer brachten die Modedesignerin Sarah Grohé und ihr Geschäftspartner, der BWL’er Benjamin Sadler, ihre erste nachhaltig produzierte Wäschekollektion auf den Markt, weil ihnen das Angebot an öko-fairer Wäsche bis dato nicht zusagte. Erkennungsmerkmal der Erlich-Wäsche ist ihre Unauffälligkeit. Keine Knallfarben, keine Muster, kein Chi-chi:
„Unsere Stücke sollen zeitlos sein, abgekoppelt von Modetrends, sodass er oder sie lange Lust hat, sie zu tragen. Auch das verstehen wir unter Nachhaltigkeit“,
begründet Sarah das Konzept.
Kennen gelernt hatten sich die Gründer bei der Firma Kerbholz, die Brillen und Uhren aus Holz macht, und noch heute teilen sich die gleichgesinnten Unternehmen ein Büro. Von Kerbholz stammt auch die Idee, allen Kollektionsteilen klassische deutsche Vornamen zu verpassen. So heißen beispielsweise die Boxershorts „Friedrich“, „Karl“ und „Gustav“ und Damen-Unterhemden „Irmgard“ und „Lieselotte“.
Die Panty „Frida“, die ich schon persönlich kennen lernen durfte, erinnert an eine Radlerhose, und tatsächlich trage ich sie gern auf Radtouren: Sie bleibt beim Strampeln in Position, und der Stoff, Micromodal-Jersey mit Elastan, ist derart geschmeidig – er scheint mit meiner Haut zu verschmelzen.
Buche schlägt Baumwolle
Modal wird von der österreichischen Firma Lenzing auf Basis von Buchenholz hergestellt und das sehr energiesparend und ökologisch. Ich liebe ja Baumwolle … aber als ich vor circa zwei Jahren erstmals Modalwäsche einer anderen Marke auf der Haut spürte, war dies für mich wie eine sinnliche Offenbarung.
Zum Komfortanspruch der Kölner zählt auch, bei sämtlichen BHs und Bralettes auf Verschlusshaken und metallene Stützbügel zu verzichten. Heißt: Sie geben Halt, ohne aufs Brustbein zu drücken und schlimmstenfalls Schnappatmung auszulösen. Eine Befreiung!
„Stabilisierend wirken die doppelten Stofflagen in den Cups und Elastikbändchen“, erklärt die Designerin, „allerdings können wir ab Körbchengröße D nicht garantieren, dass dies ausreicht“, gibt sie fairerweise zu. Mein Favoritin heißt „Amelie“, weil sie zwar ohne die erwähnten Folterinstrumente auskommt, aber dank eines Spitzenbündchens nicht ohne das gewisse Etwas.
Modelle mit französischer Spitze sind erst diesen Juni frisch eingetroffen – und zwar auf Wunsch zahlreicher Kundinnen:
„Auf Designmessen haben wir uns Feedback geholt und dabei oft den Wunsch gehört, doch bitte etwas mehr Raffinesse und feminine Elemente in die Kollektion einzubauen. Und voilà – jetzt freue auch ich mich über unsere neuen Spitzen-BHs!“,
berichtet Sarah lachend. Die Spitze besteht übrigens großteils aus recycelten Nylon-Fischernetzen.
Alle lieben „Horst“
Zum Sitz der Herrenwäsche kann ich nichts sagen, dafür Fabian Glahn aus dem Marketing. Sein Lieblingsstück heißt „Manfred“ und ist ein Achselshirt aus Modal. „Das kann man toll unter Oberhemden tragen, die Kanten verstecken sich nämlich genau unter den Nähten des Hemds“, lobt Fabian und verrät: „Man schwitzt auch nicht darin. Vor kurzem habe ich mit ,Manfred’ eine ausschweifende Hochzeitsfeier verlebt.“
Interessanterweise ist „Horst“ ein Bestseller bei den Damen. Der Overall besteht aus Bio-Baumwoll-Doppelrippe und lässt sich bis zum Bauchnabel aufknöpfen. Schiesser lässt grüßen! Ich denke, „Horst“ könnte mir im kommenden Herbst die Sofakuschelzeit versüßen und gefällt vielleicht auch meinem „Jens“?
Erlich legt Wert auf bodenständige Handwerkskunst und arbeitet deshalb mit der schwäbischen Textilmanufaktur Gebrüder Conzelmann zusammen, die schon seit 1927 Wäsche macht und heute GOTS-zertifiziert ist. Genäht wird auch in einer Zweigstelle in Rumänien.
Etwas schade finde ich, dass die Kollektion nur online erhältlich ist. Dahinter steht aber eine bewusste Strategie: Durch den Direktverkauf kann Erlich alles preiswerter anbieten und so mehr Frauen und Männer mit e(h)rlicher Wäsche ausstatten, die lange hält, was sie verspricht.
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Deutlich modebetonter tickt das 2010 gegründete dänische Label Underprotection, das Under-, Lounge- & Swimwear für Frauen macht. Das Ehepaar Sunniva Uggerby und Stephan Rosenkilde lebt seit langem umweltbewusst und wollte der Welt zeigen, wie aufregend Öko-Wäsche aussehen kann: „Unsere nachhaltigen Materialien und unsere faire Produktion sind für viele Kundinnen nur ein nettes Add-on“, sagt Stephan, „gekauft wird sie wegen ihrer Ausstrahlung und weil sie gut sitzt und sich gut anfühlt.“
Vom Slip bis zur Schlafmaske
Sunniva, kreativer Kopf der Marke, hat eine Vorliebe für Serien: Zu fast jedem Stoff wie beispielweise „Lemona“ mit Zitronen und Blüten kreierte sie mehrere BHs, Slips und zum legeren Drübertragen einen Kimono, eine Loungehose und Bluse. Zu guter Letzt kann man sich auch noch ein passendes Kulturtäschchen, ein Haarband und eine Schlafbrille dazukaufen. Ganz schön verführerisch … wie die Anmutung der Wäsche, die zwischen romantisch und rattenscharf rangiert. Nehmen wir allein den „Scarlet“-Swimsuit, der wie eine Mélange aus Badeanzug und Bikini geschnitten ist. Die Cups sind wie Jacobsmuscheln geformt, selbst die Rippen der Muschelschalen deuten sich durch zarte Nähte an.
Seidige Fasern aus Milch und Banane
Bei den Materialien beschreiten Sunniva und Stephan gern ungewöhnliche Wege. Neben der Zellulosefaser Lyocell, neben Bambus, Bio-Baumwolle und recyceltem Polyester aus PET-Flaschen lassen sie einige Stücke aus Milch- und Bananenfasern herstellen. Moment mal, aus Milch? Stark verknappt, funktioniert das so: Aus der Milch wird das Eiweiß Kasein isoliert und getrocknet. Dann wird das geruchlose (!) Pulver mit Wasser und wenigen anderen Zutaten vermengt, erhitzt und schließlich unter Druck zu Fäden verarbeitet.
„Den Rohstoff bildet sauer gewordene Milch von Bio-Farmern, die sonst weggeschüttet worden wäre“,
erläutert Stephan. Aber generell findet er die Milchindustrie etwas problematisch, er selbst trinkt nur pflanzliche Alternativen. Leider weiß ich nur, wie Kuhmilch schmeckt, aber wie fühlt sich Kleidung daraus an? „Großartig!“, schwärmt Stephan, „das Gewebe ist sehr delikat, soft und erinnert an Seide. Ähnliche Eigenschaften besitzen übrigens die Fasern aus Bananenpflanzen. Wir sind immer offen für neuartige Materialien, solange sie natürlich sind und so anschmiegsam wie eine zweite Haut.“