Gedanken zur Toyota-Kampagne: AM I HYBRID?

Als Toyota Deutschland vor einigen Monaten über die Kommunikationsagentur Popular bei uns anfragte, ob wir mit Ethletic Teil der „I am Hybrid“-Kampagne sein möchten, sorgte das bei uns intern für Diskussionen. Die Idee der Kampagne: Marken und Menschen vorzustellen, die ihre Vision von Nachhaltigkeit leben und/oder in Produkten verwirklichen. „Machen oder nicht machen“, das war die große Frage. Unser CEO Marc lässt euch hier an unserer Entscheidungsfindung teilhaben.

Von Marc Solterbeck

Toyota. Wow, ein großer Name.

Das war mein erster Gedanke, als unsere Pressesprecherin Annika mir von dem Angebot erzählte, einen Werbespot mit dem Autobauer zu drehen. Aufregend, keine Frage. Dennoch war mein zweiter Gedanke:

Nee, danke, lass mal stecken.

Denn es kommt immer wieder mal vor, dass Unternehmen bei uns anfragen, ob wir nicht als Co-Werbepartner zur Verfügung stünden. In der Regel verneinen wir diese Anfragen, da wir für alles, was nach Greenwashing riecht, nicht zur Verfügung stehen.

Andererseits stellte sich schnell heraus, dass viele andere große Namen der Nachhaltigkeitsszene mit von der Partie sein würden: Marie Nasemann etwa, mit der wir schon länger kooperieren, Josea Surfwear, die wir hier auf dem Blog vorgestellt haben, selbst von Madeleine Alizadeh alias Dariadaria war die Rede.

Gut, zugegeben, nun wurde ich neugierig!

Gleichwohl muss man ja nicht alles mit- oder nachmachen, nur weil andere es tun. Doch ein Grund, sich einmal mit der Agentur zu treffen, war dieses „name-dropping“ schon.

Zumal im Briefing von Toyota stand, dass wir den Inhalt des Spots selbst bestimmen sollen könnten.

Jetzt fing es an, bei mir im Hirn zu zu arbeiten.

  • PRO: Was  wäre, wenn wir wirklich sagen könnten, wie wir unsere (Ethletic)-Welt sehen?
  • KONTRA: Wir können uns doch nicht vor den Karren der Automobilindustrie spannen lassen!
  • PRO: Was für eine Anerkennung der Leistung unseres Teams, dass wir uns auf der Bühne eines Weltkonzerns präsentieren können!
  • KONTRA: Ist es das, was ich wollte, als ich mit Ethletic angefangen habe ?
  • PRO: Da fällt doch bestimmt hochwertiger Social-Media-Content für uns ab, den wir nicht extra teuer produzieren müssen.
  • KONTRA: Lassen wir uns hier gerade kaufen?

Diese und noch weitere tausend Fragen geisterten mir durch den Kopf.

Was tun? Ganz einfach. Das Team fragen!

Auch hier hielten sich Skepsis und eine gewisse freudige Erregung – man nimmt uns wahr in der Riege der „grünen Pioniere!“ – in etwa die Waage.

So fassten wir nach kurzer Diskussion den Entschluss, keine übereilte Entscheidung zu treffen, sondern erst einmal die Hamburger Agentur kennenzulernen, die von Toyota beauftragt wurde.

Einfach um zu sehen „mit welchen Vögeln wir es zu tun haben“ – wie ich es gern ausdrücke -, und was die uns zu sagen haben.

Also reisten Sandra (Marketing) und ich mit dem Zug nach Hamburg, und trafen uns vor Ort mit Annika. Das schöne Ambiente bei Popular beeindruckte uns ein bisschen. Modern und ästhetisch, nicht so rustikal-funktional wie unser Büro im Lübecker Industriegebiet.

Cool, dachten wir uns. So gehört Agentur! (Und ein bisschen auch: Was machen wir eigentlich falsch??? ;-))

In der Agentur erklärte uns die Projektleiterin sehr ausführlich das Konzept der geplanten Kampagne. Im Fokus: Die Freiheit, die Toyota den teilnehmenden Brands und Personen lässt. Unsere Bedingung, kein Hybrid-Fahrzeug im Spot lang und breit „bewerben“ zu müssen, wurde gehört und akzeptiert. Die gemeinsame Wellenlänge war gegeben.

Interessant, dachte ich. Wir können also sagen, was wir wollen, und brauchen kein Loblied auf den Hersteller zu singen. Klingt nicht schlecht.

Nach dem Agenturbesuch diskutierten wir noch auf der Straße stehend schon wieder.

Johanna, unsere aus Berlin zugeschaltete Designerin, war sich als Einzige ganz sicher – und klar dagegen. Für Sandra und Annika überwogen die Chancen das Risiko. Immerhin habe Toyota über Jahrzehnte hinweg die Konkurrenz mit umweltschonenden Innovationen wie der Hybridtechnologie dazu genötigt, selbst den Nachhaltigkeitsgedanken mit einzubeziehen – auch wenn hier absolut noch kein Durchbruch erzielt wurde, wie diese aktuelle Studie zeigt.

Mein erster Impuls war es gewesen, die Plattform zu nutzen. Zu selten gibt es für uns kleine Nischen-Anbieter einmal Platz auf der großen Bühne. Unser bewusst extrem klein gehaltenes Marketing-Budget erlaubt keine großen Sprünge.

Doch jetzt, kurz vor der Zusage, bekam ich erneut begründete Zweifel.

Wieder und wieder habe ich mir die Frage gestellt, ob wir uns als anerkannter Pionier einer Bewegung dazu „benutzen“ lassen, unser grünes Licht auf einen kapitalveredelnden Weltkonzern der Automobilindustrie scheinen zu lassen?

Eigentlich ein No-Go.

Auf der anderen Seite: Wenn wir das Thema Nachhaltigkeit weiter nur den Bildungseliten und Individualisten zubilligen und auf dieser Ebene weiter kommunizieren, sind es zu wenige Menschen – und vor allem nicht die, die wir (auch) erreichen müssen. Also, warum nicht das Sprachrohr der Konzerne nutzen, um Brücken zum Massenkonsum zu bauen und Menschen einzuladen, mitzumachen. So eine Gelegenheit bietet sich so einem kleinem Brand wie Ethletic sonst nie.

Am Ende hat mich diese Überlegung dazu bewogen, dem Werbedreh zuzustimmen; mein Fazit, dass es besser ist, nachhaltige Botschaften breit zu kommunizieren, als sie nur auf dem Firmenflur zu diskutieren.

Ich hoffe, ihr könnt mich verstehen. Und an dieser Stelle trifft der Slogan der Kampagne wirklich gut: Ich bin, um Wikipedia zu zitieren, etwas „Gebündeltes, Gekreuztes oder Vermischtes“.

I am Hybrid.

Euer Marc

PS: Alle Texte in diesem Spot sind von mir frei gesprochen. Die Innenaufnahmen wurden in den Räumlichkeiten unseres nachhaltigen Fullfillmentpartners Brands Fashion in Buchholz/Nordheide gedreht (unser Office sieht, wie gesagt, nicht so nice aus).  Designerin Johanna hat ausdrücklich gesagt, sie wolle in dem Spot zwar nicht auftauchen, findet es jedoch in Ordnung, dass wir uns mehrheitlich dafür entschieden haben.


Redaktion: Annika Langhagel