Elyas Khan – Musiker & Magier

Über: Kooperationen, Kochen und Kolonialismus

Elyas // Bells

Neue Blog-Serie: Saudia Young interviewt „revolutionäre“ Künstler

Ich sitze mit meinem Seelenverwandten Elyas Khan in seiner Berliner Küche, wo er gern die Rezepte der Frauen seiner Familie nachkocht und Geschichten erzählt. Seine Lieblingsbeschäftigung, abgesehen von der Arbeit im kleinen Tonstudio im Schlafzimmer.

Mein Universum liegt zwischen Küche und Studio.

Nun denn. Für alle, die ihn noch nicht kennen: Elyas ist ein extrem charismatischer, ja geradezu magischer Performer. Ein kurzes Quiz zum Kennenlernen.

S: WAS SOLL ICH DICH FRAGEN?

E: „Es ist Sonntag. Etwas, das ich googlen müsste, um zu antworten. Oder etwas übers Gärtnern.“

S: WAS TUST DU?

E: „So wenig wie möglich mit maximalem Effekt.“

S: WARUM?

E: „Effizienz und Würde.“

S: HAST DU DIR ETHLETIC ANGESEHEN?

E: „Ja. Wir nannten solche Sneaker „Plimsouls“ und malten sie jeden Morgen Weiß an mit einem nassen Stück Kreide, denn das sah todschick aus mit der Schuluniform.“

S: WELCHE GUTE TAT HAST DU KÜRZLICH GETAN?

E: „Ich habe einigen freundlichen Obdachlosen zwei „Motz“-Magazine abgekauft, die Nerven eines sehr jungen Künstlers vor dem Auftritt beruhigt und harte Arbeit im Garten eines Freundes geleistet, um ihn für die Pflanzsaison vorzubereiten.“

S: WAS IST DIE ROLLE DES KÜNSTLERS BEI DER REVOLUTION?

E: „Die Befreiung von Geist und Handlung. Meine Musik hat eine Aufgabe. Die Vorstellungskraft vorwärts zu treiben in eine mehrdimensionale Realität und dazu anzuregen, die Verbundenheit des Körpers mit allem, was ihn umgibt, wahrzunehmen, durch die Macht von Ton und Klangfarbe.“

Ich kenne Elyas und seine Frau Melissa seit 2001. Wir lebten alle gemeinsam in einem kleinen Bezirk von Brooklyn, genannt „Dumbo“, ein Akronym für „Down Under the Manhattan Bridge Overpass“, eine wirklich schöner Bereich am Ufer, der inzwischen fast vollständig von den Reichen und Gierigen übernommen wurde, auch bekannt unter dem Namen „The New Colonialists“, die neuen Kolonialisten.

Dumbo war einst eine etwas rumpelige Gemeinschaft von Künstlern, Arbeitern und den Überbleibseln von Fabriken und Docks in New York. Die Kopfsteinpflaster-Straßen waren unsere Bühne wo wir als Community versuchten, unserer Arbeit mit Humor und Leidenschaft nachzugehen und uns gleichzeitig umeinander zu kümmern.

Wer ist Elyas Khan?

Elyas kam als Sohn indischer Eltern, die ich unheimlich mag, in London zur Welt. Mit zwei Jahren wurde er nach Pakistan verschifft, um mit seiner Großmutter, den Tanten, Onkel und deren Kindern zu leben.

Seine Eltern waren sehr jung und blieben in London, um Geld zu verdienen … währenddessen entbrannte ein (vom Kolonialismus ausgelöster) Krieg in Indien und Pakistan. Vier Jahre später kamen seine Eltern zurück, um ihn wieder mit nach London zu nehmen. All dies Erlebte spiegelt sich in Elyas Stimme, Songwriting, den Geschichten, die er erzählt, seinen Auftritten, dem Draufgängertum und seiner der Art zu kochen.

Elyas + the stove

Elyas war ein Teenager als seine Familie nach Minneapolis zog. Als junger Erwachsener suchte er sein Glück in New York, wo ihn sein Weg als Schauspieler und Tänzer zu einer weiteren natürlichen Erweiterung seines Spektrums des Selbstausdrucks führte – zur Musik.

Es folgte die Gründung der bahnbrechenden Band Nervous Cabaret, dann die Vertragsunterzeichnung beim Plattenlabel Naive in Paris nach einem Auftritt beim lokalen Dumbo „Open Mic“, anschließend fünf Jahre auf Europa-Tournee.

Überspringen wir einige Abenteuer hin zu Elyas und Melissa’s derzeitigem Zuhause und künstlerischen Hauptquartier in Berlin. Ihr Aufenthalt fiel glücklicherweise zusammen mit meinem inzwischen zehnjährigen Berlin-Wagnis, so dass ich ein Stück Familie bei mir hatte das mir half, auf den rauen Straßen Berlins zu überleben!

Was bedeuten dir Kollektivarbeiten mit anderen?

E: „Die meisten erfolgreichen Dinge sind Kooperationen. Sich gegenseitig zu vertrauen. In der Musik und überall.

Sagen wir, du bist ein Solo-Künstler, zum Beispiel Caribou – ich bringe hier nur einen Namen ins Spiel. Er produzierte seine erste Platte ganz allein, kooperierte dann jedoch mit drei anderen Musikern um sie auf die Bühne zu bringen. Beethoven komponierte für sich allein. Wenn er in die Konzerthalle wollte, brauchte er ein Orchester, um sein Stück zu spielen. Er musste mit einer Menge Menschen umgehen. Das ist es, was die Dinge schlussendlich fertig werden lässt.

Du musst ständig mit Menschen zusammenarbeiten. Wie es mir damit geht? Am besten, wenn man sich wirklich gut versteht, sich wohl fühlt. Du vertraust einander. Du nimmst Kritik an. Du musst dich gewissermaßen schrittweise darauf vorbereiten. Oft arbeite ich nur mit einer vagen Idee im Kopf von dem, was man von mir will. Die Promo für den Skatepark in Indien (siehe unten) war ein Liebesdienst, wohingegen andere Projekte kommerzieller Natur sind und Deadlines haben.

Wenn ich jemanden treffe, mit dem ich zusammenarbeiten möchte, sage ich das nicht sofort. Ich muss es eine Weile einsickern lassen. Kann ich mir das Resultat vorstellen? Ich muss diejenigen besser kennenlernen und mich meinerseits greifbarer machen. Mich mehr zeigen und sehen, wie sie darauf reagieren, wie ich auf sie reagiere. Normalerweise in Gesprächen. Ob es dabei um Musik geht oder Kunst oder was auch immer.

Die Frage ist: Hören wir einander zu?

All diese Dinge weisen darauf hin wie die Kooperation laufen wird.“

Einige von Elyas Kollektivarbeiten:

https://www.youtube.com/watch?v=rGs6KTOenK0

Elyas + Oxelo

Elyas + Martin Mosert

Elyas + Amine Bendriouich

Elyas + Moe Jaksch, 17 Hippies, Melissa Fowler and Martin Mostert

www.elyaskhan.com
Das Interview führte Saudia Young
Übersetzt ins Deutsche von Annika Langhagel